Fr, 10.03.2023 | HVO

Umweltministerium soll es zeitnah umsetzen

Zustimmung vom Bundestag zur HVO-Zulassung an öffentlichen Tankstellen

Rund um das Thema „HVO-Zulassung an Tankstellen“ bewegt sich was: Am 1. März 2023 wurde unter dem Aktenzeichen Drucksache 20/5830 ein Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen, also SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eingebracht, indem der Bundestag die Bundesregierung auffordert, die 10. BImSchV dahingehend zu ändern, paraffinische Kraftstoffe gemäß der DIN EN 15940 in die vorgenannte Verordnung aufzunehmen, um die Veräußerung an Dritte bzw. das Inverkehrbringen, wie es im Amtsdeutsch heißt, zu gestatten. Oder im Klartext: HVO soll endlich an allen Tankstellen verfügbar sein, und zwar offiziell mit dem Segen der zuständigen Behörden. Warum das nach dem sogenannten „vorauseilendem Gehorsam“ durchaus ab sofort gelten könnte, sei im Folgenden kurz dargestellt.

Entschließungsantrag im Wortlaut

In dem Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen heißt es nämlich wörtlich: „Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, die deutsche Regulierung für Kraftstoffe dahingehend zu ändern, dass der Einsatz und Vertrieb paraffinischer Kraftstoffe in Reinform für alle Nutzer ermöglicht wird. Dazu soll die 10. BImSchV zeitnah so geändert vorgelegt werden, dass auch Kraftstoffe, die der DIN EN 15940 entsprechen, vollumfänglich zulässig sind. Dabei wird die Nutzung von Palmöl ausgeschlossen. Das Kabinett beschließt dann die so geänderte Verordnung.“

Mehrheit will klimafreundliche Kraftstoffe an Tankstellen

Was bedeutet das im Klartext? Der Deutsche Bundestag mit Sitz in Berlin gilt als das gesetzgebende Organ der Bundesrepublik Deutschland und spiegelt mit seinen aktuell 736 Mitgliedern den Willen des deutschen Volkes wider. Dieser Volkeswille besteht in diesem speziellen Fall darin, dass Kraftstoffe nach DIN EN 15940, also HVO (Hydrotreated Vegetable Oil) und GtL (Gas-to-Liquid) als Reinkraftstoff an Tankstellen verfügbar sein sollen. Offensichtlich möchte die Gesamtheit der deutschen Bürger zumindest über die Möglichkeit verfügen, klimafreundliche Kraftstoffe an den ca. 14.000 deutschen Tankstellen tanken zu können, um bis zu 90 % CO2 (über den Produktlebenszyklus) und eine erhebliche Menge an Feinstaub einzusparen und damit einen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

Zapfsäule mit HVO und Blue Diesel an der Tankstelle in Neckarsulm

Auch der Bundestag möchte, dass HVO-Diesel aus Gründen des Umweltschutzes auch an deutschen Tankstellen verfügbar ist.

BMUV muss jetzt zeitnah umsetzen

Adressiert wird diese Aufforderung an das BMUV, also das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz mit dem im politischen Berlin als äußerst scharf geltenden Zusatz „zeitnah“. Offensichtlich nicht ohne Grund nach Meinung der Parlamentarier, denn seit mehr als einem Jahrzehnt verhindert das BMUV bzw. dessen Vorgänger die Aufnahme paraffinischer Kraftstoffe in die 10. BImSchV und nimmt damit als Ministerium für Umwelt den Bürgern die Möglichkeit, einen aktiven Beitrag zum Umweltschutz zu leisten.

20 Gramm sorgten für bisherige Ablehnung

Damit bewegt sich das BMUV rechtlich, um es vorsichtig zu formulieren, in einem absoluten Graubereich: Das Verbot bzw. die Nichtaufnahme in die 10. BImSchV fußte bisher auf dem berühmten „Haar in der Suppe“: Die Kraftstoffdichte von paraffinischen Kraftstoffen nach DIN EN 15940 beträgt ca. 800 Kilogramm pro Kubikmeter, die Dieselnorm DIN EN 590 schreibt aber, zumindest für Deutschland, 820 Kilogramm pro Kubikmeter vor. Das bedeutet: ein Liter HVO wiegt ca. 800 Gramm, ein Liter Diesel nach DIN EN 590 muss aber mindestens 820 Gramm wiegen. Diese 20 Gramm pro Liter Mindergewicht, eine Menge, über die selbst das als übergenau geltende deutsche Eichamt großzügig hinwegzusehen geneigt ist, führten seit mehr als einem Jahrzehnt zur Nichtaufnahme paraffinischer Kraftstoffe wie HVO und GtL in die 10. BImSchV. Und um beim „Haar in der Suppe“ zu bleiben – das Ganze mutet doch schon sehr nach Haarspalterei an.

In den meisten EU-Ländern sind paraffinische Kraftstoffe gemäß DIN EN 15940 wie HVO und GtL längst als Reinkraftstoff zugelassen.

Deutschland mit HVO-Zulassung EU-Rechtskonform

Auch im EU-Recht, das man bei anderen Themen gern für Verbote heranzieht, bewegt sich das BMUV derzeit auf recht dünnem Eis: Europaweit wird derzeit nämlich keine Mindestdichte für Dieselkraftstoffe in der Richtlinie 98/70 EG Anhang 2 vorgeschrieben – ein Grund, warum HVO und GtL als Reinkraftstoff längst in den meisten EU-Ländern zugelassen sind. Obendrein verstößt die Nichtzulassung dieser Kraftstoffe in Deutschland auch noch massiv gegen die EU-Binnenmarktsverordnungen. Eine Klage gegen das BMUV hätte nach Meinung von Fachjuristen durchaus Aussicht auf Erfolg, wenn dem nicht die Aufforderung des Bundestages an die Bundesregierung zuvorgekommen wäre.

HVO- und GtL-Verbot damit vom Tisch

Was bedeutet das in der Praxis? Ein Entschließungsantrag des Bundestages gilt in Parlamentarierkreisen als „scharfes Schwert“, das die Bundesregierung bzw. das zuständige BMUV zu einem bestimmten Verhalten, also die Aufnahme von Kraftstoffen nach DIN EN 15940 (HVO und GtL) in die 10. BImSchV auffordert und es damit allen Dieselfahrern ermöglicht, einen erheblichen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten. Mit dem Zusatz „zeitnah“ dürfte wohl alles gesagt sein. Auch wenn Entschließungsanträge bis zur Schlussabstimmung durch den Bundestag rechtlich nicht verbindlich sind, sondern nur politische Bedeutung aufweisen, dürfte damit feststehen, dass wohl keine deutsche Behörde, insbesondere nicht die zuständigen Gewerbeaufsichtsämter, sich gegen eine freie Veräußerung des HVO und GtL an Tankstellen aussprechen dürften, da der längst überfällige politische Prozess jetzt auf allerhöchster Ebene in Gang gesetzt wurde.

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